Accessibility & Usability

Eine wichtige Voraussetzung für eine fortschreitende und tiefgreifende Inklusion ist eine barrierefreie Informationstechnik. Unsere Gesellschaft erschließt sich und verbreitet Wissen immer mehr über digitale Kanäle. Die Gefahr der „digitalen Kluft“ ist real und das Abhängen und Ausgrenzen ganzer Bevölkerungsgruppen, regionaler/geografischer Gebiete und Gesellschaftsschichten wären die Folgen. Digitale Inhalte und Kommunikationswege sollen zu jedem Zeitpunkt, durch jedes Gerät und Medium, in jeder Situation von jedem abrufbar sein. Nicht nur Menschen mit Behinderungen sind auf eine bedingungslose Zugänglichkeit angewiesen, sondern auch temporär oder altersbedingt beeinträchtigte Menschen.

Bei der Entwicklung von IT-Lösungen werden sehr häufig die Begriffe Accessibility und Usability verwendet, die sich zwar teilweise gegenseitig bereichern und doch nicht das Gleiche bedeuten. 

Accessibility - Barrierefreiheit

Accessibility wird im Deutschen mit Zugänglichkeit oder auch Barrierefreiheit übersetzt. Man kann hier noch stärker differenzieren: Eine bedingungslose Zugänglichkeit kann nur durch Barrierefreiheit (also das Fehlen von Barrieren jedweder Art) erreicht werden. Bei den Anforderungen an die Zugänglichkeit stehen Menschen mit Behinderungen im Fokus, um ihnen die volle Teilhabe zu ermöglichen. Zugänglichkeit soll laut Behindertengleichstellungsgesetz (weitere Informationen zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen finden Sie hier) ohne besondere Erschwernis, in der allgemein üblichen Weise und grundsätzlich ohne fremde Hilfe möglich sein. Insellösungen sind zu vermeiden.

IT-Lösungen, die unter Beachtung dieser Vorgaben entwickelt werden, ermöglichen eine flexible Nutzung unabhängig von individuellen Beeinträchtigungen und Bedürfnissen. Um umfassenden Zugang zu erreichen, müssen alle Barrieren wahrgenommen, erfasst und überwunden werden. Barrierefreiheit ist also eine Bedingung für einen Zugang für alle. Wird bei der Entwicklung auf Accessibility geachtet, gibt es zwangsläufig vielfältigere und flexiblere Möglichkeiten der Nutzung, die auch zu neuen intuitiven Gestaltungsmöglichkeiten führen können. Diese Ansätze erlauben ein erweitertes Nutzungserlebnis (User Experience) von Software und IT-Systemen.

Der Grad der Accessibility hängt unter anderem von den Fähigkeiten und Tools der Entwickler*innen, von den Möglichkeiten der Geräte sowie der assistiven Technologien und den standardisierten Kriterien für Barrierefreiheit ab. Aus diesem Grund untersucht das Projekt iDESkmu gängige Dokumentenmanagementsysteme auf ihre Zugänglichkeit. Ziel ist es, neue, auf gesicherten Erkenntnissen beruhende Prüfmodule zu entwickeln, um solche Systeme mit Blick auf Barrierefreiheit test- und vergleichbar zu machen. Die Projektprozesse werden durch die Unterstützung von Mitarbeiter*innen der mitwirkenden Unternehmen ohne technische Vorkenntnisse genauso gestützt wie von Entwickler*innen, strategisch Entscheidenden und IT-Verantwortlichen in den Unternehmen. Auf diese Weise kann eine Organisation von den neu gewonnenen Kompetenzen unabhängig von Hierarchien und Funktionen profitieren.

„Inklusion verbindet überall Menschen: in Unternehmen, Schulen, Kliniken, in den Medien und in der Zivilgesellschaft. Wir brauchen eine grundlegende Umstellung in Richtung Lösungen, die auf gegenseitige Vorteile statt auf Nullsummendenken basieren; in Richtung widerstandsfähiger, inklusiver und gerechter Gesellschaften […] Inklusion kann nicht länger als zusätzliches und optionales Extra dargestellt werden: Sie ist eine dringende politische und wirtschaftliche Notwendigkeit.“ 

 Amina Mohammed 29.7.2019, United Nations Deputy Secretary General

Usability - Gebrauchstauglichkeit

Usability lässt sich mit Gebrauchstauglichkeit übersetzen und umfasst Effektivität, Effizienz und Benutzerzufriedenheit. Damit die Usability des Systems gewährleistet ist, muss es einfach zu erlernen, effizient zu bedienen, leicht zu erinnern, fehlerfrei und subjektiv zufriedenstellend sein. Produkte müssen für die Benutzer*innen im jeweiligen relevanten Kontext funktionieren. Die Benutzerfreundlichkeit ist ein wichtiger Teil der Nützlichkeit des Systems und somit ist es Teil seiner praktischen Akzeptanz. So zielen heute alle Bestrebungen im informations- und kommunikationstechnologischen Bereich auf Usability und User Experience, um das Erleben der Nutzer*innen zum Positiven hin zu verändern. Zu den Nutzer*innen zählen natürlich auch Menschen mit Sinnesbehinderungen. Trotzdem werden die Bedürfnisse dieser Nutzergruppe häufig bei der Entwicklung von Websites, mobilen Angeboten und Softwareanwendungen außer Acht gelassen. Realitätscheck: laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat fast 20 % der Weltbevölkerung eine Form der Behinderung oder Beeinträchtigung (Global Burden of Disease-Studie). Der Bevölkerungsteil der über 65-Jährigen wird bis zum Jahr 2030 in Deutschland von 22 % auf 28 % anwachsen.

Usability-Kriterien wirken sich in der Regel auch positiv auf die Accessibility aus, zum Beispiel wenn auf gut lesbare Texte (Schriftgröße, Zeilenabstände etc.) geachtet, die Ladezeit verbessert (für Screenreader-Nutzer hilfreich) und wenn Inhalte aufgabenangemessen gut beschrieben und strukturiert sind (ISO 9241:110). Kriterien der Usability und Accessibility sollen IT-Lösungen so gestalten, dass sich die Nutzer*innen nicht an sie anpassen müssen, sondern die Technik sich an die Bedürfnisse aller Nutzergruppen anpasst. Barrierefreie IT-Lösungen haben positive Auswirkungen auf alle Nutzer*innen und weisen den Weg in die digitale Zukunft.

Quellen

ISO (2018) Ergonomics of human-system interaction — Part 11: Usability: Definitions and concepts (ISO 9241-11:2018) [Online]. Available at https://www.iso.org/standard/63500.html (Accessed 24 February 2020).

ISO/IEC (2012) ISO/IEC 40500:2012 - Information technology — W3C Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.0 [Online]. Available at https://www.iso.org/standard/58625.html (Accessed 24 February 2020).

Nielsen, J. (1996) ‘Accessible Design for Users With Disabilities’, Nielsen Norman Group [Online]. Available at https://www.nngroup.com/articles/accessible-design-for-users-with-disabilities/ (Accessed 24 February 2020).

Nielsen, J. (2001) ‘Beyond Accessibility: Treating Users with Disabilities as People’, Nielsen Norman Group [Online]. Available at https://www.nngroup.com/articles/beyond-accessibility-treating-users-with-disabilities-as-people/ (Accessed 24 February 2020).

Nielsen, J. (2003) ‘Alternative Interfaces for Accessibility’, Nielsen Norman Group [Online]. Available at https://www.nngroup.com/articles/alternative-interfaces-for-accessibility/ (Accessed 24 February 2020).

Nielsen, J. (2005) ‘Accessibility Is Not Enough’, Nielsen Norman Group [Online]. Available at https://www.nngroup.com/articles/accessibility-is-not-enough/ (Accessed 24 February 2020).