Weiterentwicklung von Prüfverfahren

Die kontinuierliche Entwicklung der Informationstechnik bildet sich zwangsläufig in den Regularien für Barrierefreiheit ab. So erfahren technische Standards Neuerungen, die sich nur in Versionsnummern wiederspiegeln oder sie werden gleich vollständig abgelöst. Die BITV ist dafür ein gutes Beispiel. Mit der Novelle von 2019 hat sich zwar der Name nicht geändert, aber der Unterbau ist von Grund auf neu formuliert worden. 

Während sich früher alles auf das Web bezog, nimmt die neue BITV nun zusätzlich zum Web Bezug auf Software und Dokumente. Sie stützt sich dabei auf den Europäischen Vergabestandard EN 301 549 in der Version 2.1.2 vom August 2018, welcher seine Anforderungen auf Basis der WCAG 2.1 formuliert hat. Die Prüfverfahren des Projektes BIT inklusiv, zu denen auch der Anwendungssoftware-Test gehört, stützen sich auf die EN 301 549 in der Version 1.1.2 vom April 2014. Die Anforderungen waren hier noch auf Basis der WCAG 2.0 gestaltet.

Was die WCAG 2.1 ganz wesentlich von den WCAG 2.0 unterscheidet, sind die Anforderungen bei der Nutzung mobiler Endgeräte. Da aber DMS in der Regel nicht vom Smartphone ausgenutzt werden, kann das Verfahren auch heute noch dort eingesetzt werden, wo die Nutzung von Software ganz klassisch mit einem Büro-PC erfolgt. Wenn es aber z. B. darum geht, Software auf Unterstützung bei der Eingabe von Daten zu untersuchen, muss man mit der WCAG 2.1 im Hinterkopf eventuelle Anmerkungen einem der klassischen Prüfschritte zuordnen. Doch das ist nicht das einzige Kriterium, das sich geändert hat oder neu hinzugekommen ist, welches sich nicht nur auf mobile Anwendungen bezieht. So gibt es in der WCAG 2.1 Anforderungen, die sich auf den Schriftschnitt beziehen, dann auf eingeblendete Inhalte (Mouseover-Effekte), die in modernen Anwendungen oft zu finden sind. Dies ließe sich sicher auch noch gut mit dem alten Verfahren testen, aber die Transparenz bei der Zuordnung zu moderneren Barrierefreiheits-Kriterien geht dabei verloren und auch das Gewicht, das die neuen Anforderungen haben, kann nicht unbedingt deutlich gemacht werden. Deshalb ist es wichtig, die Verfahren zu erneuern. Im Wesentlichen ist dabei zu klären:

  • Welche Anforderungen an DMS lassen sich verallgemeinern?
  • Welche neuen Anforderungen sind für Menschen mit Behinderungen besonders wichtig?
  • Gibt es Anforderungen, die zwar wichtig sind, aber nicht in der EN 301 549 gefordert werden?
  • Gibt es Anforderungen, die bisher von keinem der bekannten Prüfverfahren (Anwendungstest, BITV-Test) berücksichtigt wurden?BITV-Test) berücksichtigt wurden?

Diese und weitere Fragen lassen sich nur in Zusammenarbeit mit DMS-Hersteller*innen und Anwender*innen beantworten. Daher werden die von iDESkmu weiter entwickelten Prüfverfahren nicht nur in technischer Hinsicht erneuert, sondern auch in kommunikativer Hinsicht. Denn aus technischen Anforderungen lassen sich teils Erfordernisse ableiten, die auch für Laien verständlich sein müssen. Umgekehrt lassen sich aus Laien-Aussagen komplexe technische Anforderungen ableiten. Die iDESkmu-Prüfverfahren werden sich also nicht im Schwerpunkt an der Komplexität orientieren, sondern sich die prozesshafte Komplexität der Anwendungsentwicklung zu Nutze machen und zielgruppenorientierte Verfahren entwickeln.